Es gibt Phasen im Leben, wo nichts mehr weitergeht. Zumindest nicht auf die Art, wie es in der Zeit davor möglich war. Es muss sich etwas ändern. Besser gesagt: Du musst dich ändern, damit dir dein Leben wieder passt. Diese Wahrheit zu erkennen, tut weh.
Dieser Schmerz ist wichtig für alles Weitere, denn dieses Au! wirkt wie ein Kreativitätspush, der dich ins Nachdenken und Handeln bringt: Was von dem Alten lässt du los, damit Neues Platz hat? Denn erst, wenn der Ballast abgeworfen ist, geht es wieder voran. Meistens ist es dann sogar besser als vorher, weil du durch die Krise wichtige Dinge über dich gelernt hast und dichter dran bist als vorher an deinem wahren, echten Ich.
Weil ich es liebe, wenn Menschen zu sich selbst finden und über ihren Weg dorthin erzählen, veranstalte ich zu diesem Thema eine Blogparade: Von Au! zu Wow! Diese Lebenskrise war ein echter Glücksfall!
Gerade liest du meinen eigenen Beitrag zu meiner Blogparade. Ich schreibe darüber, wie sich die Corona-Krise für mich im Nachhinein als Glücksfall entpuppt hat.
Große Auswahl an Lebenskrisen
Ich habe länger überlegt, über welches Thema ich bei meiner eigenen Blogparade schreibe, denn an Lebenskrisen mangelt es mir nicht…
Zum Beispiel gab es da diesen einen Chef ganz früh in meiner Karriere. Als „Young Professional“ dachte ich damals bei seinen cholerischen Anfällen, sexistischen Ausfällen und anderen Abstrusitäten: „Das muss wohl so im Job“. Ich habe alles ausgehalten und habe mich so gut es ging durchgewurschtelt. Über all den Stress habe ich in sehr kurzer Zeit viel Gewicht verloren. Die Komplimente und Glückwünsche über diesen „Erfolg“ waren schwer zu ertragen. Ich war vielleicht so dünn wie nie zuvor, aber auch ebenso unglücklich. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Ich bin zusammen gebrochen und war lange krankgeschrieben.
Es war mir wahnsinnig peinlich, dass mir das passiert. Ich bin doch eine starke Frau, warum haut mich das bisschen Stress auf der Arbeit so aus den Latschen? Heute, mit deutlich mehr Berufserfahrung, kann ich immer noch nicht fassen, wie der Typ sich damals benommen hat. Bis jetzt kommt niemand auch nur im Ansatz an ihn heran. Was ich daraus gelernt habe und bis heute konsequent durchziehe: Ich kommuniziere sehr deutlich meine Grenzen, und wenn jemand die dauernd überschreitet, dann: adios!
Und dann ist da noch eine der schwärzesten Episoden in meinem Leben: meine Depression. Auch da bin ich zum Glück wieder rausgekommen, auch daraus habe ich wichtige Dinge gelernt. Das war definitiv eine Lebenskrise. Aber als „Glücksfall“, so wie ich es im Aufruf meiner Blogparade nenne, würde ich sie definitiv nicht bezeichnen. Da hätte ich gern drauf verzichtet, und mein Weg da raus ist wirklich nicht nachahmenswert. Falls ich darüber je schreibe, dann nur mit dem Label „Nicht nachmachen! Don’t do that at home!“
Für meine Blogparade habe ich mich entschieden, über eine andere sehr schwarze Zeit in meinem Leben zu schreiben: Darüber, wie mir im Corona-Lockdown der Boden unter den Füßen weggerutscht ist. Und weswegen ich mich ohne die Pandemie vermutlich niemals als Coach selbstständig gemacht hätte.
Was ich bis März 2020 übers Arbeiten geglaubt habe
Ich habe bis März 2020 immer als Angestellte in Bürojobs gearbeitet. Manchmal Dienstreisen, ab und zu Events oder Kongresse, aber im Wesentlichen an einem Schreibtisch irgendwo in einem Bürogebäude in Berlin. Und ich hatte ziemlich ausgeprägte Glaubenssätze dazu, wie Arbeit zu sein hat:
- Gearbeitet wird im Büro. Zu Hause ist für Freizeit reserviert. Nur mit dieser räumlichen Trennung kann ich auch mental Feierabend machen.
- Um produktiv zu sein, brauche ich Kolleginnen und Kollegen in meiner direkten Umgebung. Ansonsten dödel ich nur rum.
- Ich kann nur gut arbeiten, wenn ich bürotaugliche Klamotten anhabe.
- Es ist normal, dass ich mich über lange Phasen nicht konzentrieren kann, weil es im Gemeinschaftsbüro so laut ist, dass ich meine Ideen nicht hören kann.
- Es ist normal, etwa zwei Stunden am Tag in vollgestopften öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbringen, um dann in einem Büro anzukommen, in dem ich nur etwa 1/3 des Tages gut arbeiten kann.
- Es ist normal, dass ich an Werktagen abends völlig ausgelaugt bin, so dass der gesamte Haushalt liegenbleibt. Und dass der gesamte Samstag draufgeht, um den Backlog aufzuholen.
Die ersten Wochen im Lockdown
Du erinnerst dich mit Sicherheit auch an diese Wochen im März und April 2020, als die Welt plötzlich Kopfstand gemacht hat. Ich wusste zu dieser Zeit nicht mehr, wo oben und unten ist. Ich war ganz alleine, hatte weder Partner noch Kind noch Haustier in meiner Wohnung. Und ich hatte Angst. Angst vor dem Ungewissen.
Über Wochen habe ich keinen Menschen live getroffen außer beim Einkaufen. Das war für mich mein Beitrag zur Pandemiebekämpfung. Ich dachte: Wenn ich mir das Virus einfange, dann soll es bei mir in eine Sackgasse laufen.
Da ich zum Arbeiten nur meinen Kopf, einen Laptop und eine Internetverbindung brauche, habe ich über viele Wochen komplett von zu Hause aus gearbeitet. So war ich plötzlich mit meinen Glaubenssätzen konfrontiert, die ich zum Thema „arbeiten“ hatte.
Erfolgloser Kampf gegen Windmühlenflügel
Viele Wochen lang habe ich versucht, alles so zu machen wie vorher – soweit das in dieser Situation möglich war. Ich bin zur gewohnten Zeit aufgestanden, habe mich wie immer “bürofertig” gemacht und mich dann eine Stunde früher als sonst an den Schreibtisch gesetzt. Ich hatte ja keine Fahrzeit in den Öffis, sehr praktisch. Und da ich das Gefühl hatte, so unproduktiv wie nie zu sein, fand ich es irgendwie angebracht, jeden Tag eine Stunde länger zu arbeiten. Bekloppt, ich weiß…
Und dann saß ich da, allein in meinem Schreibtisch im Wohnzimmer, von 8 bis 18 Uhr mit kurzer Mittagspause. Im Kopf vor allem Leere und schlechtes Gewissen. Meine Highlights waren Videocalls mit Kund:innen und mit einer lieben Kollegin. Meine Haupttätigkeiten dazwischen: Corona-Zahlen checken. An die Wand gucken. Mich nach 2019 wünschen.
Vor allem zwei Dinge haben dazu beigetragen, dass ich in den Lockdown-Phasen nicht komplett durchgedreht bin. Zum einen meine NLP-Ausbildung, in der ich nach und nach gelernt habe, konstruktiv mit Stress und anderen unangenehmen Gefühlen umzugehen (Ohnmacht, Hilflosigkeit, Zukunftsangst, …). Zum anderen ein Coaching, in dem ich mit meinem Coach Schritt für Schritt erarbeitet habe, was eigentlich auch gut sein könnte an dieser Lage. Und wie ich diese Situation – die da war, ob ich wollte oder nicht – in irgendeiner Weise positiv für mich nutzen kann.
Perspektivwechsel: gar nicht so schlecht, dieses Home-Office!
Der Mensch gewöhnt sich an alles, auch an eine Pandemie. Und ich ans Arbeiten von zu Hause. Spätestens im zweiten Lockdown, im Winter 2020/21 stelle ich immer mehr infrage, was ich bisher übers Arbeiten geglaubt habe.
Hallo Jogginghose!
An den Menschen, der das Märchen erfunden hat, dass man sich auch im Home-Office “bürotauglich” anziehen sollte: Watch me, wie ich in meinen liebsten Schlunzklamotten clevere Kampagnen ausklügele, Krisenmeetings via Zoom rocke und an der Tastatur einen Kreativschub nach dem nächsten habe.
Hallo ungestörtes Arbeiten!
Am wunderbarsten ist, dass mich zu Hause niemand in meinen Konzentrationsphasen stört. Zwei Stunden in Ruhe an einem Konzept schreiben können, wie großartig ist das denn! Ohne im großen Gemeinschaftsbüro Telefongespräche mithören zu müssen, die mich nicht interessieren. Ohne Geklingel von Lieferanten, die Post oder Pakete abgeben. Ohne das Gerumpel, wenn das gelieferte Druckerpapier, Getränkekisten oder sonstiges Zeug verräumt werden.
Ich sitze zwar nicht mehr im schicken Loft-Büro mit weitem Blick über Berlin-Kreuzberg. Dafür schaffe ich richtig was weg.
Hallo Biorhythmus!
Weil ich meine Aufgaben von zu Hause in viel kürzerer Zeit erledigen kann, passiert noch etwas Wunderbares: Ich habe plötzlich tagsüber Zeit. Und nach einigen Monaten traue ich mich auch, die zu nutzen. Ich gehe zum Beispiel tagsüber mal länger vor die Tür – mache eine kleine Radtour, picknicke mittags im Park oder gehe tagsüber einkaufen im leeren Supermarkt.
Ich nehme mir auch die Freiheit, mir meine Schreibtischphasen nach Biorhythmus einzuteilen. Am produktivsten bin ich ganz früh, ab 7.30 Uhr. Vormittags ist auch gut, und dann folgt ein langes Nachmittagstief. Sinnvoll, mit Kraft und Kreativität, kann ich am Schreibtisch wieder ab 15.30 Uhr was reißen. Diese lange Pause war im klassischen Büroalltag nicht möglich.
Hallo Teamspirit, adieu fester Arbeitsplatz!
Was sich auch mit dem ausgefuchstesten Perspektivwechsel nicht wegdiskutieren lässt: Im Home-Office sind meine Kolleg:innen weiter weg als im Büro. Ja, es gibt Videocalls, Chatfenster, Telefon. Ist aber nicht das gleiche, wie im selben Raum zu sitzen. Aber auch hier kommt innerlich etwas in Gang.
Ich finde heraus, wofür ich meine Kolleg:innen eigentlich brauche. Nicht in konzentrierten Arbeitsphasen, das steht fest. Aber zum Ideen-Pingpong, zum Rumspinnen, um gemeinsam etwas Großes auszudenken. Und für Gossip! Jaaaa, ich gestehe: Ich vermisse den kleinen Tratsch in der Büroküche sehr. Wenn ich mir zu Hause einen Tee koche, erzählt mir niemand von dem absurden Telefonat mit der Kundin eben oder vom Ärger über die Grafik, die einfach nicht macht, was sie soll.
Ab irgendeinem Punkt, so etwa im Frühjahr 2021, sehe ich das Büro nicht mehr vorrangig als Arbeitsort an. Sondern als Treffpunkt. Als Ort zum Socializing, als Ort, an dem wir den Teamspirit auffrischen und uns miteinander verbinden. Aber einen festen Arbeitsplatz mit Rechner brauche ich an diesem Ort nicht.
Danke, Corona! Wie meine Lebenskrise zum Glücksfall wurde
Das “Au”: Kündigung des gut bezahlten Jobs als Senior-Beraterin
Ende 2021 habe ich meinen unbefristeten Job in dem Beratungsunternehmen gekündigt, in dem ich während der harten Lockdowns beschäftigt war. Meine neu entdeckten Vorlieben, wie ich arbeiten möchte, passten nicht mehr mit der Kultur dort zusammen.
Ich habe lange überlegt, das war für mich ein ziemlich krasser Schritt. Nicht nur die Kündigung selbst, sondern mir einzugestehen, dass auf dem Papier zwar alles ok ist, dass ich gutes Geld verdiene, dass es sogar um die „gute Sache“ geht – aber dass es einfach nicht mehr passt. Wie Schuhe, die nach einer langen Wanderung anfangen, schlimm zu drücken.
Der Zwischenschritt: ein Teilzeit-Job setzt ungeahnte Ressourcen frei
Stattdessen arbeite ich heute in Teilzeit in einer Coaching-Agentur und bin dort verantwortlich für die Unternehmenskommunikation. Ich habe volle Flexibilität, wann ich arbeite und von wo aus. Zwei bis dreimal im Monat bin ich vor Ort. Diese Präsenz-Tage nutzen wir ganz bewusst für einen kreativen Austausch, für gemeinsames Mittagessen und um ausführlich miteinander zu Quatschen. So laden wir die Beziehungsbatterie auf.
Ich bin in diesem Arbeitsmodus so kreativ und energiegeladen wie niemals zuvor.
Und schließlich: Wow! Ich mache mich selbstständig als Coach
Parallel dazu habe ich mich getraut, mich als Coach selbstständig zu machen. Na ja, teil-selbstständig. Aber das zählt auch, oder? Weil ich seit Anfang 2022 nur noch 20 Stunden pro Woche mit meinem Angestellten-Dasein ausfülle, hatte ich Ressourcen frei, um mir selbst diesen Traum zu erfüllen. Beziehungsweise: Diesen Traum zu entdecken und mir einzugestehen: „Das ist es!“ Und den Mut zu finden, meinen Plan durchzuziehen. Ohne Covid und die Lockdown-Phasen hätte ich nie entdeckt, dass diese Art zu arbeiten für mich möglich ist und mich glücklich macht.
Danke, Corona! Ohne diese Krise wäre ich heute nicht da, wo ich bin.
Mach mit bei meiner Blogparade!
Hast du auch so eine Phase im Leben, in der du nicht mehr weiter wusstest und jetzt, im Nachhinein, sogar ganz froh bist darüber? Dann schreib’s auf! Schreib deine persönliche Von-Au-zu-Wow-Geschichte und reich sie noch bis zum 15. November 2022 als Beitrag bei meiner Blogparade ein.
Wie du mitmachst, warum du mitmachen solltest und ein paar Fragen zur Inspiration findest zu in meinem Aufruf.
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