12 von 12 im November 2024 – ohne Farbe am Himmel, mit Farbe auf Flipcharts

12 von 12, das heißt: 12 Bilder vom 12. Tag im Monat. Und plötzlich wird aus einem unspektakulären Tag ein ganz besonderer, weil ich meine Aufmerksamkeit auf die kleinen Dinge fokussiere.

Der 12. November 2024 ist ein Dienstag, und er novembert prächtig vor sich hin: Die Wolken sind so dicht, dass sie mit ihrem Grau der Erinnerung an den Himmel alle Farbe stehlen. Die Mikrotröpfchen der Nebelwand, durch die ich stapfe, machen fisselige Kräusellocken. Und dass es Mittag ist, sagt mir nur mein Magen, aber nicht das Tageslicht. 

Ich bereite heute einen zweitägigen Workshop vor – das Leitungsteam eines sozialen Trägers trifft sich Ende der Woche für intensive Klausur und lässt sich professionell begleiten. Inhaltlich ist schon alles konzipiert, heute bereite ich noch die Flipcharts vor, die wir zur Unterstützung einsetzen. Dazu fahre ich ins Büro nach Berlin-Kreuzberg.

Komm, ich nehm dich mit durch meinen Tag!

#1 von 12 – Moin! Wenn schon November, dann bitte mit Lippenstift. Irgendwas muss ja die Stimmung heben. Ich freu mich außerdem, dass in meinem Innenhof noch ein paar Bäume an ihren Blättern festhalten und dem Bleigrau am Himmel ein paar gelbe Tupfer entgegensetzen.

#2 von 12 – Ja ist denn schon…?? Nee, Weihnachten is noch nicht, keine Panik. Aber bald ist Advent! Und dazu habe ich für ein paar Freundinnen aus meiner Postcrossing-Community Überraschungsumschläge vorbereitet, die heute in den Briefkasten wandern. Gute Reise!

#3 von 12 – U-Bahn-Romantik am Nollendorfplatz.

Dieses längliche Schild rechts gehört zu den wirklich coolen Elementen im Berliner ÖPNV. Das zeigt nämlich nicht nur alle Haltestellen einer Linie an, sondern auch, in welche Richtung die Bahn am Gleis daneben fährt. Nicht nur für Touris hilfreich!

Wie oft ich schon in die falsche U7 eingestiegen bin, weil ich nicht vorher an diesem Dingsi gecheckt hab, ob meine Wunschstation Richtung Rudow oder Richtung Spandau liegt… Sind beides Ecken in Berlin, wo ich nicht tot überm Zaun hängen will. Aber ich schweife ab, Entschuldigung. Denn hier am Nolli ist gar keine U7, sondern die U4, die hier Endstation hat. Da schaffe selbst ich es nicht, in die falsche Richtung zu fahren.

#4 von 12 – Achtung, Achtung! Hier gibt es nichts zu sehen, bitte gehen Sie zügig an diesem grünen Fenster vorbei. Dann bleibt nämlich mehr für mich vom besten Kaffee in Berlin.

Na gut, ich verrate doch, um welchen Laden es geht: Classic Coffee Berlin. Diesen kleinen Kaffeeladen habe ich letzten Sommer per Zufall entdeckt und… huiiii, ich will nie wieder woanders Kaffee trinken! Logo, dass ich mir heute direkt einen gönne. Leider bin ich zu spät für eines der ebenso göttlichen Pistaziencroissants. die sind schon ausverkauft. Na, nicht schlimm. So kann ich mich voll und ganz auf den Kaffee konzentrieren.

#5 von 12 – Ein paar Schritte weiter erinnert ein Banner an die Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

#saytheirnames

Kreuzberg kann sehr dreckig, rotzig und unangenehm sein, gerade hier, rund ums Schlesische Tor. Genauso verlässlich ist Kreuzberg aber auch: aus tiefster Überzeugung antirassistisch. Dafür liebe ich den Kiez. Er erinnert mich regelmäßig daran, dass große Bewegungen immer von unten entstehen, und dass sich bürgerschaftliches Engagement lohnt.

#6 von 12 – Street Art! Ein großes Mural, das ich offensichtlich seit drei Jahren systematisch übersehen habe. Drei Kinder blicken (besorgt?) in eine Richtung. Was sich wohl Unbehagliches hinter dem Efeu versteckt?

#7 von 12 – Soooo, das ist mein Arbeitsplatz für heute. Flipchart, Marker, bunte Wachsmalblöcke und mein Laptop. Auf dem gucke ich immer wieder auf die Tagesordnung des geplanten Workshops und meine Notizen zur Moderation. Außerdem suche ich online immer mal wieder nach Inspirationen für Dinge, die ich eher selten in der Visualisierung einsetze. Eine Rose zum Beispiel.

#8 von 12 – Rose, thorn, bud. Rose, Dornen, Knospe – eine wirksame Metapher, um ein Projekt oder eine Idee aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick zu nehmen.

Im Workshop bekommen die Teilnehmenden Post-its in verschiedenen Farben, um ihre Gedanken zu den unterschiedlichen Facetten festzuhalten und aufs Flipchart zu kleben.

#9 von 12 – Aus die Maus! So sieht es auf dem Tisch nach 17 Flipcharts aus. Ein Durcheinander aus Farben, meinem schlauen Symbolbuch, Probeskizzen und, ganz wichtig: das Papier, auf dem ich getestet habe, ob ich gerade den richtigen Wachsmaler in den Fingern habe.

Apropos Finger. Die knipsen das Foto und sind nicht im Bild. Gut so, ist weniger peinlich. Meine Hände erinnern mich gerade an eine Fünfjährige, deren Tuschkasten explodiert ist. Manchmal hinterlässt Kunst sehr deutliche Spuren.

#10 von 12 – November in a nutshell. Ist halt schon noch Herbst diesen Monat. Schön!

#11 von 12 – Das Schöne daran, dass es so früh dunkel wird: Es kommt nicht mehr so viel Licht am Innsbrucker Platz an, sondern er wird gnädig von der Düsternis verschluckt. Und so wird einer der hässlichsten Orte Berlins zu einem stylischen Fotomodell.

#12 von 12 – Ich finde: Jetzt darf langsam die Weihnachtstasse wieder arbeiten. Ich hab zu jedem meiner Trinkgefäße ein überdurchschnittlich emotionales Verhältnis, und diese Tasse mag ich sehr, sehr, sehr.

Der Tee darin verspricht »Bright Mood«. Na mal sehen. Fingers crossed! Außerdem gibt es noch eine Gratisweisheit auf dem Tee-Papierchen. »Mitgefühl ist ein stetes Geben des Selbst an andere«, sagt mein Privat-Buddha. Okay?

Ich hab heut nicht mehr viel zu geben, weder Mitgefühl noch irgendwas anderes. Ab auf die Couch, so gehört sich das schließlich im November. Tschüssi – und bis zum nächsten #12von12!

Das Format „12 von 12“ ist eine alte Blogging-Tradition. In der deutschsprachigen Blogging-Community wird das Format von Caroline Lorenz-Meyer über ihren Blog „Draußen nur Kännchen“ gehostet.

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9 Kommentare

  1. Also ich war jetzt genau 3x in Berlin und freue mich wie Bolle, wenn ich etwas auf deinen Bildern wiedererkenne – und sei es eine romantische U-Bahnstation! Hurra!
    Ich mag deine Art zu schreiben und deine Fotoauswahl! Dein übermäßig emotionales Verhältnis zu deinen Tassen hat mich restüberzeugt, dein Follower zu werden!
    Grüße aus dem Mausloch
    Sabine

  2. Liebe Djuke,

    danke für die kurze Reise in Berlin. Schöner Lippenstift! Ich liebe die Poesie deiner Worte. “Die Wolken sind so dicht, dass sie mit ihrem Grau der Erinnerung an den Himmel alle Farbe stehlen.” – zum Weinen schön!

    Deiner Fotos machen mir Berlin-Sehnsucht, und ich mag das Bild mit der Rose. Tatsächlich habe ich mir nach deinem Arbeitsplatz “danach” ein Foto deiner verschmierten Hände gewünscht, das fände ich folgerichtig. Nächstes Mal, ja?

    Ich freue mich, von dir gelesen zu haben.

    Falls du mein 12 von 12 von Amrum lesen magst, das ist hier: https://silke-geissen.de/12-von-12-november-2024-begegnungen-und-himmel/

    Aus deinem überaus berührenden und bewegenden Nachruf auf deinen verstorbenen Freund weiß ich, dass du hier dein FÖJ mit Vogelbeobachtung verbracht hast. Als ich das von dir erfuhr, war ich einmal mehr traurig, dass meine Tochter das nicht gemacht hat. Ich hatte es ihr damals nach der Schule nahegelegt. Witziger Zufall, oder?

    Ganz liebe Grüße an dich,
    Silke

  3. Liebe Djuke,
    wow, was für ein abwechslungsreicher Tag!
    Die Metapher mit der Rose ist super schön.. und ein großes WOW für die Zeichnung dazu!
    Danke, dass auf Kreuzberg Verlass ist! Ich bin ganz bei dir: wir können alle viel bewegen und solch Engagement kommt selten von oben.
    Danke, dass ich durch dich mal wieder in die Hauptstadt kommen durfte 🫶

    Liebe Grüße
    Danielle

    PS: bei uns war es gestern auch ziemlich grau: https://danielle-berg.com/12-von-12-november-2024/

  4. Hey Djuke,

    was für eine wunderVOLLe Idee, dem Grau mit Lippenstift entgegen zu treten! Das werde ich auch mal probieren, auch wenn – oder gerade weil? – Farbe auf den Lippen nicht zu meinem Alltagslook gehören…

    Die Weihnachtstasse ist ja cool – wenn sie für mein Empfinden auch gerne noch ne Weile im Schrank warten könnte ;0)

    Konfettigrüße,
    Anja

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